Jede Linie verbindet Punkte.
Der kürzeste Weg, die Gerade, ist zugleich die trivialste Linie – ohne Schnörkel, makellos und unangreifbar, streng, entschieden und indiskutabel – kurz: langweilig.

Eine Linie kann sich verirren. Sie hat das Recht dazu. Eine Linie hat und braucht Zeit. Sie kann trödeln, am Blattrand etwas verweilen, zur Mitte streben und sie wieder verlassen, eine Pirouette drehen, oder, aus freien Stücken, auch mal kurz eine Gerade durchlaufen. Natürlich nicht ganz exakt, ein kleiner, hauchfein angedeuteter Haken reicht schon aus, um doch Linie zu bleiben.
Zur Linie wird man geboren, zur Geraden wird man gemacht.

Linien sind ungern allein. Sie lieben die Gesellschaft anderer Linien, sie reiben und schmiegen einander, verlieren sich im Strudel der Drehungen und finden sich neu oder flitzen plötzlich gemeinsam kurz entschlossen aus dem Blatt heraus.

Auf Linien ist kein Verlaß. Sie neigen zur List, zur Andeutung, zum kindlichen Lügen. Sie locken uns in ihre Welt der Bodenlosigkeit, hinein in die Tiefe des Blattes. Man kann sie nicht festhalten und ausfragen. Nur beobachten.

 

Franziska Möbius
Malerei und Kunst im öffentlichen Raum


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